Jura Soyfer und die Neue AZ

Wilfried Allé (Wien | Vienna)

Der Aufstieg der Sozialdemokratie in Österreich ist unmittelbar mit der Geschichte der Arbeiter-Zeitung (AZ) [  https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeiter-Zeitung  ] verbunden. Das wird auch von Jura Soyfer (1912-1939) in seinem Roman „So starb eine Partei“ gewürdigt.

Soyfer selbst hat rund 100 Gedichte in der AZ publiziert. Diese Gedichte können als eine Art Zeitepos aufgefasst werden, da sie die Tagesereignisse kommentierten. Aber in seinen Gedichten hat er auch die Kommunikationssituation seiner Zeit erfasst.  Zum Beispiel im „Lied des Plakatanklebers“:

A jeder Mensch gern kleben tat
Recht bunt und hoch sein Lebensplakat.
Wer schlau und recht, nur dem ist’s gelungen,
Daß Sproß für Sproß er rauf sich geschwungen.

 Das war ein Lieblingslied von Leon Askin, der 1936 Soyfers Stück „Der Weltuntergang“ inszenierte. (Von 2002 bis 2004 las Askin im Wiener Schauspielhaus an 25 Abenden das Stück „Der Weltuntergang“ von Jura Soyfer und sprach über die Bedeutung vom Soyferschen Werk für sein Leben.) In diesem Stück wird im „Telegraphen Chanson“ bereits die neue Weltkommunikation umrissen:

Von den neunundneunzig Rädern
Dieser kugelrunden Erde
Flitzen flink aus tausend Sendern
Die Berichte. –
Durch die zarten, blitzend harten
Kupfernerven dieser Erde
Surrt die Weltgeschichte.

Doch wie im „Lied des Plakatanklebers“ sind die Chancen ungleich verteilt. Wie es in der „Ballade der Drei“ heißt:

Die Faust – die Phrase – und das Geld:
Wir drei erobern die Welt.

Die Gedichte in der AZ zeigen, was in den 1930er Jahren bereits bekannt war. So heißt es im Gedicht „Reformiertes Deutsches Kirchenlied“ (Arbeiter-Zeitung, 25. November 1933):

Wir stehen in Dachau beim Prügeln habt acht,
Wir kleben in Tegel Tüte für Tüte […]

Immerhin hatte die AZ seinerzeit eine Verbreitung von über 700.000 Stück bevor sie von den Austrofaschisten verboten wurde. Die AZ ermöglichte daher für Soyfer ein Massenpublikum. Bis in die Gegenwart gab es Menschen, die aus dieser Zeit seine Gedichte auswendig kannten.

Nach 1945 findet sich in der AZ eine umfangreiche Berichterstattung zu Jura Soyfer. Abrufbar unter: http://www.arbeiter-zeitung.at/ Zunächst war dies die Zeit der jungen Bühnen, die vielfach Soyfer spielten. In den 1970er Jahren kam dann die Renaissance mit Qualtinger, den Schmetterlingen, Götz Fritsch, der Publikation des „Gesamtwerkes“ 1980 und vor allem dem Jura Soyfer Theater. Das wurde von der AZ begleitet.

Doch dann kam das Aus nicht nur für das Jura Soyfer Theater, sondern auch für die AZ. Doch die Digitalität bietet neue Möglichkeiten. Nicht wirklich geeignet für die Sozialdemokratie sind in diesem Zusammenhang Geschäftsmodelle wie Facebook. Das ist interessant für eine „Führerpartei“ wie die FPÖ unter Strache. Sie hat viel Geld hineingesteckt. Nachhaltig war aber auch für diese Partei diese Investition nicht.

Die Sozialdemokratie bedarf dagegen vielmehr einer „Neuen AZ“ [  http://az-neu.eu/top-news ]. Sie ist gedacht als eine vielsprachige digitale Publikation. In ihr spielt auch Jura Soyfer eine Rolle – vor allem durch die Hinweise auf Veranstaltungen des Jura Soyfer Zentrums am Leberberg in Simmering.

Auch die Sozialdemokratie des 21. Jahrhunderts bedarf ihres eigenständigen Publikationsorgans. Mit ihrer Arbeiter-Zeitung wurde sie im 19. Jahrhundert zu einer einflussreichen Bewegung, hat die Revolution 1918 maßgeblich beeinflusst, und wurde im 20. Jahrhundert nach der Befreiung zur Regierungspartei. Im 21. Jahrhundert wäre eine Neue AZ die Basis für eine neue Mehrheitsfähigkeit.